Erebia ligea

Gesamtverbreitung: Sibirisch-europäisch. Nordeuropa sowie mit einer Areallücke von Frankreich über Mittel- und Osteuropa, den Ural, Sibirien bis zum Amur und Japan.

Regionalverbreitung: E. ligea war ursprünglich in allen großen Naturräumen Baden-Württembergs vertreten (Tab. 1). Im Gegensatz zu E. aethiops fehlen jedoch Nachweise aus der nördlichen Oberrheinebene gänzlich und aus dem nördlichen Tauberland wurde nur ein Fundort (TK-Blatt 6424) bekannt, wobei dieser Nachweis vom Anfang des 20. Jahrhunderts (1903) stammt. Hauptverbreitungsgebiete von E. ligea in Baden-Württemberg waren eindeutig der Südschwarzwald, die Baaralb, die westliche und mittlere Schwäbische Alb sowie das südöstliche Oberschwaben (Allgäu, Adelegg). Zudem existierten kleinere Populationen in der südlichen Oberrheinebene, im Nordschwarzwald, im Kraichgau, auf den Gäuplatten, in den Wäldern des Albvorlandes (Schönbuch, Rammert) sowie auf der Ostalb. Bereits ab den 1930er-Jahren konnten verschiedene TK-Blätter im Albvorland nicht mehr bestätigt werden (7120, 7121, 7420, 7421), hierzu zählt auch das Verschwinden der Art am Spitzberg bei Tübingen, analog zu E. aethiops. Ebenfalls vor Beginn der 1930er-Jahren blieben die ersten Messtischblätter in der Oberrheinebene (7911, 7912) unbestätigt. Die ab den 1960er-Jahren bestätigten TK-Blätter gingen nur geringfügig um 10 % zurück, jedoch waren bis zu diesem Zeitpunkt Populationen in ganzen Naturräumen erloschen. So blieben die Nachweise des Kraichgaus (7117, 7217) ebenso ohne Bestätigung wie die direkt angrenzenden Populationen der nördlichen Gäulandschaften (7218, 7219). Auf der Ostalb taten sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon die ersten Lücken auf (7423, 7525, 7624). Ab den 1980er-Jahren waren die Populationen der Gäulandschaften auch am Schwarzwaldrand (7418, 7518) erloschen. Im Schönbuch (7320) und Rammert (7519) wurden ebenfalls rückläufige Tendenzen offenbar. Im Nordschwarzwald konnten sich bis in die 1980er-Jahre nur Populationen im TK-Blatt 7616 halten, während die übrigen (7416, 7515, 7617) wohl ebenfalls ausstarben. Weitere Verluste mussten ebenfalls die Populationen der Ostalb (7225) hinnehmen, sodass hier östlich von Ulm nur noch ein besetztes TK-Blatt (7226) Bestand hatte. Auch in Oberschwaben waren die ersten eindeutigen Bestandseinbußen zu bemerken (7926, 8123, 8125, 8325). Der allgemeine Rückgang in diesem Zeitraum betraf 21 % der TK-Blätter. Bis in die 1990er-Jahre blieben weitere Messtischblätter ohne Nachweis, so konnten die Populationen des nördlichen Schönbuchs (Mahdenbachtal, früher Hölzertal und Schönaich Elsenhalde) nicht mehr bestätigt werden. Ebenfalls aus dieser Zeit datieren die letzten Nachweise aus dem Nordschwarzwald (7916) und aus der Oberrheinebene (7812). Weitere Einbußen erlitten außerdem die Populationen in Oberschwaben (8122, 8126). Aus dem Südschwarzwald sind ab 1990 auch einige TK-Blätter (7914, 7915, 8114, 8213) unbestätigt, jedoch muss hier unklar bleiben, ob es sich nicht um Erfassungslücken handelt. Die Nachweise in TK-Blättern von E. ligea gingen in diesem zehnjährigen Zeitraum nochmals um 17 % zurück. Ab dem Jahr 2000 konnten weitere Populationen in ganzen Naturräumen bisher nicht mehr bestätigt werden, hierunter fallen die letzten Nachweise im östlichen Teil der Ostalb (7226) und im Albvorland im süd-westlichen Schönbuch bei Herrenberg (7419). Außerdem müssten unbedingt die Nachweise des Südschwarzwaldes (8014, 8112, 8113) neu bestätigt werden, ebenso wie die Populationen südlich Ravensburg (8224, 8324) in Oberschwaben. Die Rasterfrequenz von E. ligea betrüge, ausgehend von den Nachweisen nach 2000, nur noch 11 % und wäre nun bei etwa einem Drittel aller bekannt gewordenen besetzten TK-Blätter angelangt. Auch bei E. ligea ist zu erwarten, dass die tatsächliche Bestandssituation realistisch betrachtet nicht sehr viel besser aussieht. Metapopulationen befinden sich aktuell noch im Übergangsbereich zwischen Baaralb und Südschwarzwald (Raum Rottweil, Villingen-Schwenningen, Donaueschingen, Tuttlingen) sowie auf der mittleren und östlichen Schwäbischen Alb bis etwa zur Ulmer Alb. Fehlende Nachweise auf der westlichen Alb bei Balingen (7719, 7720, 7819, 7820) werden auf Kartierungslücken zurück geführt. Unklar bleibt die Situation im südlicheren Bereich des Südschwarzwaldes, wo aktuelle Nachweise noch in den TK-Blättern 8013, 8214 und 8215 bestehen sowie in Oberschwaben, wo allerdings nur noch auf der Adelegg (8225, 8226, 8326) Metapopulationen von E. ligea zu erwarten sind. Ausgestorben ist E. ligea im Tauberland, im Albvorland, auf den Gäuplatten, in der Oberrheinebene, im Kraichgau, im Nordschwarzwald und im östlichen Teil der Ostalb.

 

Tab. 1: Präsenz von Erebia aethiops in Baden-Württemberg, aufgeteilt nach Naturräumen und Jahrzehnten, total und prozentual.

Region

(Anzahl TK-Blätter)

alle Nachweise

alle Nachweise [%]

ab 1930

ab 1930 [%]

ab 1960

ab 1960 [%]

ab 1980

ab 1980 [%]

ab 1990

ab 1990 [%]

ab 2000

ab 2000 [%]

BW (299)

95

31,77

83

27,76

75

25,08

59

19,73

49

16,39

33

11,04

Tauberland (43)

2

4,65

0

0,00

0

0,00

0

0,00

0

0,00

0

0,00

Albvorland (12)

8

66,67

4

33,33

4

33,33

2

16,67

1

8,33

0

0,00

Gäuplatten (6)

4

66,67

4

66,67

2

33,33

0

0,00

0

0,00

0

0,00

Oberrheinebene (39)

3

7,69

1

2,56

1

2,56

1

2,56

0

0,00

0

0,00

Kraichgau/

Stromberggebiet (40)

2

5,00

2

5,00

2

5,00

0

0,00

0

0,00

0

0,00

Nordschwarzwald (18)

5

27,78

4

22,22

4

22,22

1

5,56

0

0,00

0

0,00

Südschwarzwald (38)

23

60,53

21

55,26

21

55,26

19

50,00

15

39,47

10

26,32

Baaralb (12)

5

41,67

5

41,67

5

41,67

5

41,67

5

41,67

4

33,33

Schwäbische Alb (44)

27

61,36

27

61,36

23

52,27

22

50,00

22

50,00

15

34,09

Oberschwaben (47)

16

34,04

15

31,91

14

29,79

9

19,15

6

12,77

4

8,51

 


Historische Verbreitung von E. ligea in Baden-Württemberg. Neben den Hauptvorkommen auf der Schwäbischen Alb, der Baaralb und im Südschwarzwald bestanden Metapopulationen im Nordschwarzwald und den angrenzenden Gäulandschaften, im Albvorland (Schönbuch, Rammert) sowie in Oberschwaben.

 

 

Aktuelle Verbreitung von E. ligea im Jahre 2000. Nördlich der Schwäbischen Alb ist die Art ausgestorben. Aktuelle Populationen beschränken sich auf die Schwäbische Alb, Baaralb und Südschwarzwald. In Oberschwaben kommt E. ligea nur noch auf der Adelegg vor.

 

Habitate: Mesophile Waldart montan getönter, frisch-feuchter Nadel- und Laubmischwälder. Besiedelt werden hier angrenzende verbrachende Magerrasen, reich strukturierte Waldränder und -wege, Lichtungen, feucht-kühle lichte Taleinschnitte, Lichtwaldstrukturen, Schlagfluren, Moor- und Sumpfwälder. Wichtig erscheinen wechselschattige Wald(rand)bereiche mit ausgeprägtem Gräserbewuchs. Wirtspflanzen aus Baden-Württemberg noch unbekannt.

 

Lichter Übergang von Offenland zu Wald auf der Schwäbischen Alb. Im Grenzbereich von Nadelwald zu mageren Wiesenflächen flogen mehrere E. ligea-Falter für B. pinnatum-Fazies. Strukturell ähnliche Habitate bestehen auch im Albvorland oder in Oberschwaben.

 

Hier nutzte E. ligea ausschließlich den vorderen an Wiesenflächen grenzenden Bereich. Die von Bäumen überschattete Wegschneise im Inneren des Waldes schien für die Art schon deutlich uninteressanter zu sein. Wie licht muss ein Wald sein, um als Habitat akzeptiert zu werden?

 

Blick auf die wechseltrockenen Wacholderheiden des NSG Beurener Heide bei Hechingen auf der Schwäbischen Alb. Hier kommen sowohl E. ligea als auch E. aethiops zahlreich in den waldnahen Bereichen der Wacholderheide vor. Ähnliche Habitate bestehen nur im Schwarzwald, in Oberschwaben oder dem Albvorland gibt es keine derartig abwechslungsreich strukturierten Wacholderheiden, auch die der Oberen Gäue unterscheiden sich strukturell deutlich.

 

Breiter Forstweg mit reichlich Gräserbewuchs (Molinia) in direkter Nachbarschaft zu lichten Waldstrukturen im Schönbuch. Hier war E. ligea bis in die 1980er-Jahre nachgewiesen. Auch aktuell scheinen die Habitate geeignet zu sein, sichere Aussagen lassen sich jedoch aus Unkenntnis zu den bevorzugten Larvalhabitaten nicht treffen.

 

Rückgangsursachen: Aufgrund der Tatsache, dass in den Metapopulationszentren auf der Schwäbischen Alb sowohl die klimatischen Gegebenheiten wie auch Habitate deutlich besser sind als etwa im Albvorland oder in Oberschwaben, lässt sich nur sehr schwer eine eindeutige Aussage treffen. Die Ergründung der Rückgangsursachen soll der Forschungsinhalt der nächsten beiden Jahre sein. Erschwert wird eine Einschätzung zusätzlich durch Unkenntnis der Larvalhabitate.

Tendenzen:

Albvorland (Schönbuch, Rammert): Lichte Waldstrukturen sind mit Sicherheit stark zurück gegangen, jedoch finden sich in beiden Wäldern noch großflächige Bereiche, die für eine Besiedelung geeignet erscheinen. Ein klimatisch bedingter Rückgang erscheint möglich.

Obere Gäue (Schwarzwaldrand): Hier kam E. ligea syntop mit E. aethiops auf verbrachenden Magerrasen vor. Ob auch sonstige lichte Waldstrukturen besiedelt wurden, ist mir nicht bekannt. Aufgrund der aktuellen Populationen von E. aethiops und dem vorhandenen Habitatpotential scheint auch in diesem Naturraum ein klimatisch bedingter Rückgang möglich.

Schwäbische Alb: Hervorragende klimatische Eignung bei Vorhandensein von ausreichend großflächigen, lichten Waldstrukturen und verbrachenden Magerrasen. Potentieller Rückgang eher durch forstwirtschaftliche Nutzungsänderung (Hochwaldnutzung) bedingt.

Oberschwaben: Klimatische Eignung für die montane und sub-kontinentale E. ligea möglicherweise schon nicht mehr optimal. Deshalb Rückzug auf die höher gelegene und klimatisch besser geeignete Adelegg unterstützt von Verdunkelung und Eutrophierung der Wälder. Aussterben in den Moor- und Bruchwäldern möglicherweise auch klimatisch bedingt.

 

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